Hans-Heinrich Dieter

Typisch   (11.12.2013)

 

Bundespräsident Gauck reist nicht zu den Olympischen Winterspielen nach Sotschi. Politiker der Opposition und zahlreiche Medien loben den Präsidenten umgehend aufgrund seines Eintretens für die Rechte von Schwulen und Lesben, von Minderheiten und politisch Andersdenkenden. Dabei hat der Bundespräsident überhaupt noch nicht gesagt, was er möglicherweise mit einer symbolisch gemeinten Geste erreichen will. Er schweigt vielmehr wenigsagend, der Ex-KGB-Agent Putin schweigt eisig und lässt seine Politiker medienwirksam feststellen, dass Russland den deutschen Bundespräsidenten für politisch dumm hält. Das ist Anlass für das Bundespräsidialamt, von Terminproblemen zu sprechen. Irgendwie ist das typisch für deutsche Politik.

Der deutsche Bundespräsident redet ja nicht als evangelischer Pfarrer für seinen Kirchensprengel, er äußert sich auch nicht als freiheitsliebender Ex-DDR-Bürger oder als sehr spät berufener DDR-Bürgerrechtler, sondern der Bundespräsident repräsentiert die Bundesrepublik Deutschland und spricht auch für die Bürger unseres Landes. Und da muss man erwarten dürfen, dass man weiß was das Staatsoberhaupt mit seinem Handeln bezweckt und welche Ziele verfolgt werden.

Das hat es Bundespräsident Gauck natürlich nicht einfach. Deutschland, das er repräsentieren soll, hat bisher kein politisches Zielsystem mit vitalen nationalen und europäischen Interessen entwickelt. Wir haben kein außen- und sicherheitspolitisches Konzept. Der Bundespräsident kann also überhaupt nicht wissen, welche langfristigen politischen Ziele zum Wohle Deutschlands und welche dafür erforderliche perspektivische Politik er mit seinen Äußerungen, seinem Auftreten und mit seinen symbolischen Handlungen unterstützen soll.

Der Bundestag und die Bundesregierung sollten sich endlich dazu bekennen, welche Ziele Deutschland bei der Wahrnehmung seiner internationalen Verantwortung verfolgt und in welcher Qualität es seiner Verantwortung in Europa und der Welt gerecht werden will. Wenn Deutschland eine Russland-Strategie hätte, wüsste der Bundespräsident, ob seine symbolische Absage, die von Russland als Affront und Beginn einer neuen Konfrontation betrachtet werden kann, Deutschland eher schadet oder nützt.

Wenn man Ziele erreichen will, muss man sich zu dem bekennen, was man sagt oder tut und sich nicht verdruckst in Schweigen hüllen. EU-Justizkommissarin Viviane Reding sagt mit aufrechter Haltung, dass sie nicht nach Sotschi reist, solange Rechte von Minderheiten in Russland mit Füßen getreten werden. Sie ist eine Stimme für Europa und weiß was sie will.

Solange Deutschland nicht so richtig weiß, was es außenpolitisch will, wäre es vielleicht besser gewesen, der Bundespräsident reist nach Sotschi, erweist den Sportlern und der Jugend der Welt die Ehre und bespricht seine Vorstellungen und Ideen mit den Verantwortlichen des olympischen Komitees.

(11.12.2013)

 

 

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