Hans-Heinrich Dieter

Unaufhaltsamer IS   (11.07.2015)

 

Der "Islamische Staat" (IS) weitet seine Macht - bisher unaufhaltsam - aus. In Syrien hat er gerade eine wichtige Grenzstadt zurückerobert. Im Irak konsolidiert er seine Macht. In Libyen hat er Fuß gefasst und bestimmt zunehmend die Zukunft dieses failing state's. Auf der Sinai-Halbinsel liefert der IS den ägyptischen Streitkräften Gefechte in bisher nicht bekannter Qualität und Intensität. Der Glaubenskleinkrieg im Nordsinai eskaliert. Der IS hat inzwischen auch die Verantwortung für den Anschlag auf das italienische Konsulat in Kairo übernommen. Auf den Golanhöhen sind die ersten IS-Terroristen aktiv, der IS-Ableger auf der Sinai-Halbinsel hat bereits Raketen auf Israel abgefeuert. In zwei Schulen in der Negev-Wüste warben vier Lehrer für die Terrorgruppe IS. Dem israelischen Inlandsgeheimdienst Schin Beth zufolge wurden bereits sechs IS-Sympathisanten festgenommen. In Afghanistan ist der IS schon jetzt eine ernst zu nehmende zusätzliche Bedrohung zu den radikal-islamistischen Taliban und deren erfolgreiche Konkurrenz beim Anwerben von verbrecherischem Nachwuchs. In Tunesien hat jetzt ein in Libyen von der Miliz Ansar al-Scharia ausgebildeter islamistischer Terrorist ein spektakuläres Attentat mit 38 Toten verübt und nicht nur das Land sondern auch den für Tunesien so wichtigen Tourismus empfindlich getroffen. Ob der IS im Hintergrund mitverantwortlich zeichnet, ist noch nicht geklärt. Der IS breitet sich in der muslimischen Welt überall erfolgreich aus und schlägt zu, wo immer und wann immer er das für richtig oder spektakulär hält. Die Regionalmächte des Nahen und Mittleren Ostens haben noch kein wirksames, gemeinsames Mittel gegen die islamistischen Verbrecher gefunden. Und die westliche Welt ist natürlich entsetzt aufgrund dieser Ramadan-Offensive des IS, handelt aber nur eingeschränkt beziehungsweise eingeschränkt erfolgreich gegen die sich ausbreitende terroristische Gefahr durch islamistische Milizen und Organisationen.

Tunesien hat nun aufgrund der anhaltend hohen Bedrohung durch den islamistischen Terror einen 30-tägigen Ausnahmezustand verhängt. Der tunesische Präsident stellte fest, dass Tunesien sich - vor allem durch das im benachbarten Libyen herrschende Chaos begründet - einer "besonderen Form des Krieges" ausgesetzt sieht. Gleichzeitig ließ er 80 nicht vom tunesischen Staat kontrollierte Moscheen schließen. Die Muslime selbst wissen, dass der Islam und auch der Islamismus der Lehre des Koran folgen und sie wissen, wo die Dschihadisten durch Hasspredigten für den heiligen Krieg gewonnen werden. 3.000 Tunesier sollen sich bereits islamistischen Milizen im Irak, in Syrien und im Nachbarland Libyen angeschlossen haben. Tunesien wird entlang der gesamten Grenze zu Libyen eine Mauer errichten - Muslime sichern sich vor Muslimen durch eine Mauer! Da kann man durchaus an der Friedlichkeit des Islam zweifeln.

Man muss aber nicht nur auf den islamistischen Terror von Salafisten, Taliban, Mördern des Islamischen Staates, Fundamentalisten der Boko Haram oder von Al Qaida verweisen, um die wachsende Angst vor dem Islam in der westlichen Welt sachlich zu begründen. Der tagtägliche Alltag liefert genug Anhaltspunkte. Im Nahen und Mittleren Osten toben grausame Religionskriege zwischen Schiiten und Sunniten oder zwischen Schiiten und Alawiten um die Macht auf der Grundlage der jeweils für richtig und allgemeingültig gehaltenen Auslegung des Koran und die darauf begründete Ausgestaltung jeweiliger Gottesstaaten. Diese Glaubenskriege treiben Millionen muslimische Menschen in die Flucht und auch in den für sie fremden Kulturkreis Europa. Und es fällt Europa nicht leicht, diese Menschen alle willkommen zu heißen und würdig zu versorgen. Und überall wo Flüchtlingszahlen für die Menschen vor Ort überhandnehmen und zur wirklichen Belastung werden, entstehen Spannungen und Ressentiments. Man muss außerdem davon ausgehen, dass mit den Flüchtlingsströmen auch Dschihadisten nach Europa eingeschleust werden. Und wenn Putin sich der Zusammenarbeit mit der westlichen Welt bei Bemühungen um die Beilegung des Bürgerkrieges in Syrien verweigert, dann sind die destabilisierenden Flüchtlingsströme nach Europa sicher auch Teil seines machtpolitischen Kalküls.

Wir in Deutschland wollen allerdings die Bedrohung der westlichen Welt durch radikale Ausprägungen des Islam nicht wahrhaben und gutmenscheln lieber multi-kulti-naiv vor uns hin. Um in Deutschland lebende Muslime zu beruhigen lassen sich Politiker, bis hin zu Kanzlerin Merkel, zu der falschen, geschichtsvergessenen und unsere christlich-jüdische Kultur verleugnende Aussage hinreißen, der Islam gehöre zu Deutschland. Islamkritiker werden dann schnell als Islamfeinde, islamophob, xenophob oder gleich als dumpfe fremdenfeindliche Rechtsextremisten verleumdet. Eine sachliche öffentliche Diskussion ist deswegen kaum möglich. Dabei wissen alle Verantwortlichen, dass wir in Deutschland bereits zahlreiche Rückkehrer aus dem vorderasiatischen Dschihad haben. Wir alle erleben, dass sich die muslimischen Gemeinden und Organisationen nur müde, halbherzig oder überhaupt nicht von islamistischer Gewalt distanzieren. Und die christliche Mehrheit in Deutschland weiß nicht, was in den Moscheen gepredigt wird und hat auch keine klare Vorstellung, was in den muslimischen Parallelgesellschaften im Hinblick auf die Gleichberechtigung von Mann und Frau gegen unsere Wertvorstellungen und Gesetze getrieben wird. Bonn ist inzwischen eine Hochburg islamistischer Salafisten, das BKA überwacht weit über 300 radikal-islamistische Gefährder in Deutschland und bei solchen Zahlen kann man von einer nicht kleinen Zahl von Schläfern und von einer Dunkelziffer weiterer Islamisten in Deutschland ausgehen. Nach Angaben von Bundesinnenminister de Maizière sind seit dem Jahr 2000 zwölf islamistische Anschläge misslungen oder von den Sicherheitsbehörden vereitelt worden. Die Gefahr ist also akut und der Minister warnt nicht ohne Grund zur Wachsamkeit.

Die SPD-Landtagsfraktion in Hessen fordert jetzt einen „Aktionsplan“ des Landes zur Bekämpfung des radikalislamischen Salafismus. Nach Ansicht der Sozialdemokraten sind umfangreiche Initiativen beim Bildungsangebot, in der außerschulischen Jugendarbeit und Jugendbildung und bei der Schulsozialarbeit sowie verstärkte Bemühungen zur Aufklärung und Antidiskriminierung erforderlich. Beim Salafismus handele es sich nicht um ein vorübergehendes jugendkulturelles Phänomen, das sich von allein lösen werde, denn die Ursachen seien zum Teil allgemeinere und tieferliegende Probleme bei der Identitätsbildung, meint der integrationspolitische Sprecher Gerhard Merz, denn:  „Eine nicht unerhebliche Zahl von Jugendlichen, deren Eltern und Großeltern zu uns eingewandert sind, lebt in mehreren Welten.“ Beschönigender kann man gescheiterte Integration von Muslimen in Deutschland nicht zum Ausdruck bringen. Immerhin will Hessen eine Initiative ergreifen. Der Aktionsplan soll alle Lebensbereiche junger Menschen umfassen und alle Organisationen und Kontaktpersonen einbeziehen. So müsse das Wissen über die jeweils andere Religion und Kultur bei jungen Christen, Juden und Muslimen gestärkt werden. Die Vereinbarkeit von Islam und Demokratie müsste im Schulunterricht ebenso thematisiert werden wie islamischer Fundamentalismus und Terrorismus.

Das ist ein typisch deutscher Ansatz, der sicher gut gemeint ist, aber die Ursachen für die Radikalisierung muslimischer Jugendlicher nicht beseitigt. Diese Ursachen liegen in der mangelnden Integrationsbereitschaft vieler muslimischer Immigranten, in unzureichender Kenntnis deutscher Sprache, in unzureichendem Bildungserfolg, in fehlenden Berufsabschlüssen, in deren Folge in hoher Arbeitslosigkeit und Abhängigkeit von sozialen Transferleistungen und in der Existenz von Parallelgesellschaften, in denen die heimatliche Kultur gepflegt wird, teilweise abseits unserer Werte- und Rechtsvorstellungen. Diese Ursachen kann man nur beseitigen, wenn man von den Zuwanderern bessere Integrationsleistungen, beginnend mit dem Erlernen der deutschen Sprache fordert und Integrationsanstrengungen fördert. Wenn so die Bildungs-, Ausbildungs- und Berufschancen verbessert werden, dann sind richtige Grundlagen für weiterführende Maßnahmen gelegt. Gleichzeitig müssen Bund und Länder  zusammen mit den muslimischen Organisationen die muslimische Religionsausübung in Deutschland so lange kontrollieren wie von Hasspredigern Gefahren für ungefestigte Jugendliche, die sich als „Verlierer“ in unserer Gesellschaft fühlen, ausgehen. Darüber hinaus müssen Zuwanderer, die nicht die deutsche Staatsbürgerschaft anstreben, nachweisbar unzureichend integrationswillig sind, Arbeitsleistungen verweigern und mehr als drei Jahre von Transferleistungen leben, in ihre Heimatländer abgeschoben werden. Neue Zuwanderungen müssen vom Bedarf des Arbeitsmarktes, von Berufsqualifikationen und von zu fordernden Integrationsleistungen abhängig gemacht werden. Und letztlich müssen wir den Islamismus in Deutschland offensiv mit allen Mitteln des Rechtsstaates bekämpfen.

Wenn solche Grundlagen gelegt sind, dann erscheint es sinnvoll, den Informationsaustausch über unterschiedliche Ausprägungen der Kulturen und Religionen auch in Schulen zu verstärken. Dabei wird es allerdings nicht gelingen können, die Vereinbarkeit von Islam und Demokratie nachzuweisen. Der Islam hat einen Alleinvertretungsanspruch, der sich mit unserer säkularen Demokratie nicht verträgt und der Islam fußt auf der Scharia, die mit unseren Werte- und Rechtsvorstellungen nicht vereinbar ist. Und wenn man schon informiert, dann muss man auch feststellen, dass der Salafismus letztlich die exakte und strenge Befolgung der Lehren des Koran zur Grundlage hat.

Und die muslimische, arabische und persische Welt muss sich - möglichst gemeinsam - militärisch, politisch und religiös gegen die barbarischen Verbrecher stellen. Dazu müssen aber zunächst die politischen und religiösen Streitigkeiten und Widersprüche überwunden und die sozialen Rahmenbedingungen in den bedrohten Ländern verbessert werden, um den Hasspredigern und Scharia-Fundamentalisten den Boden zu entziehen. Dabei muss die westliche Welt das „Morgenland“ nach Kräften politisch und militärisch unterstützen. Die Bodentruppen zur möglichst nachhaltigen Neutralisierung der Terroristen des Islamischen Staates müssen allerdings von den muslimischen, arabischen und persischen Ländern eingesetzt werden. Israel wird sich beim Kampf gegen den IS auf Dauer sicher nicht auf Maßnahmen im Inneren Israels beschränken können.

(11.07.2015)

 

 

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