Hans-Heinrich Dieter

Unterschiede (19.09.2011)

 

Bundespräsident Wulff sagte im Rahmen der Islam-Debatte, der Islam sei ein Teil Deutschlands. In Vorbereitung auf den Staatsbesuch des türkischen Staatspräsidenten Gül lobt dann der Bundespräsident die Leistung der türkischen Einwanderer - der ersten Generation - für ihren Beitrag zu deutschem Wohlstand und Wirtschaftswunder.

Staatspräsident Gül hingegen übt im Vorfeld seines Besuches in Deutschland harte Kritik an der deutschen Einwanderungspolitik. Er meint gegenüber dem ZDF, das deutsche Einwanderungsrecht widerspreche den Menschenrechten. Es stehe nicht im Einklang mit dem Gedanken einer fortschrittlichen Demokratie. Er macht seine Kritik hauptsächlich daran fest, dass seit 2007 der Ehegatten-Nachzug davon abhängt, dass der Partner einen Deutschtest in der Türkei besteht.

Hier äußert sich der türkische Staatspräsident, dessen Staat für die 15 Millionen Kurden in der Türkei keine Schule zulässt, in der die Kinder in ihrer Muttersprache unterrichtet werden. Hier fordert ein Politiker, der duldet, dass Minderheiten massiv unterdrückt werden, der nicht einschreitet, wenn die Ausübung christlichen Glaubens in der Türkei behindert wird und der Erdogan gewähren lässt, wenn der die Armenier in der Türkei lieber des Landes verweisen will, als sich um deren Integration zu bemühen. Hier äußert sich sehr selbstgefällig ein Staatspräsident wertend über das Wesen "fortschrittlicher Demokratie", dessen Land von fortschrittlicher Demokratie noch ziemlich weit entfernt ist. Gül sollte sich vor Augen führen, dass die Türkei im Hinblick auf kulturelle und moralische Lebensformen und Werte von der Scharia über Ehrenmorde bis hin zur Unterdrückung von Frauen kein Vorbild für westliche Demokratien ist, im Gegenteil. Die Realität in der Türkei verbietet an sich solche überzogenen, sehr unbescheiden und geradezu ärgerlich, dreist und frech anmutenden Auftritte. Aber türkische Chauvinisten sehen die Realität mit anderen Augen.

Gül besucht Deutschland in einer politisch stark angespannten Lage. Die Finanz- und Schuldenkrise beherrscht so ziemlich alles und lässt die Türkei "Oberwasser" wittern. Gül meint, inmitten der Krise in der EU lege die Türkei wirtschaftlich zu, politisch sei die Türkei heute in der internationalen Arena so einflussreich wie die ganze EU zusammen. Die Türkei strebt trotzdem eine Mitgliedschaft in der EU an, macht aber gleichzeitig eine EU-Gegenpolitik. Die türkische Regierung will nächstes Jahr im Sommer im Zusammenhang mit der zypriotischen EU-Ratspräsidentschaft ihre Beziehungen zur  EU boykottieren, wenn es bis dahin keine konkreten Ergebnisse zur Ãœberwindung der Teilung auf Zypern gibt. Dabei beharrt die Türkei auf der Teilung Zyperns. Die Türkei macht gegenüber Israel eine der arabischen Straße geschuldete verbal massiv aufgerüstete Kanonenboot-Politik und geriert sich als Vorbild-Demokratie für den arabischen Frühling. Mit diesem Arabien-Populismus heizt die Türkei den Nahost-Konflikt an und multipliziert die Krisen im nordöstlichen Bereich des Mittelmeers.

Die Unterschiede werden sehr deutlich. Hier ein etwas selbstvergessener und überaus gastfreundlicher deutscher Bundespräsident, der wenig trennscharf formuliert, denn der Islam ist kein Teil Deutschlands und seiner Kultur, wohl aber ein Teil deutscher Realität. Ein Präsident, der sich scheut, den Tatsachen ins Auge zu sehen und Missstände zu benennen. Warum sagt er nicht, dass zu viele türkischstämmige Deutsche oder die, die hier dauerhaft leben wollen, das Erlernen der deutschen Sprache offenbar nicht genügend ernst nehmen. Solche türkischstämmigen Bürger haben häufig keine Schulabschlüsse, dann keinen Ausbildungsplatz, in Folge keine Arbeit und richten sich zu erheblichen Lasten deutscher Steuerzahler als Transferempfänger umfangreicher Sozialleistungen ein. Solche Bürger leisten keinen Beitrag zum Wohl des deutschen Volkes, sie belasten dieses Wohl erheblich. Vor diesem Hintergrund ist es geboten, von Zuwanderungswilligen passable Deutschkenntnisse schon vor der Einreise zu verlangen, und ihnen auch entsprechende Tests zuzumuten. Wenn der deutsche Bundespräsident einen Beitrag zur deutsch-türkischen Freundschaft leisten will, dann gehört die klare und unmissverständliche Formulierung von Integrations-Defiziten dazu.

Die Unterschiede sind sehr deutlich. Hier der überaus gastfreundliche Bundespräsident Wulff, dort der selbstüberzogene Schulmeister seiner Gastgeber Gül im Windschatten und womöglich Auftrag von Ministerpräsident Erdogan. Genau wie Erdogan 2008 in Köln, tut Gül mit seinem anmaßenden Verhalten türkisch-stämmigen Deutschen einen Bärendienst. Er schürt die Ängste der deutschen Bevölkerung vor einer Überfremdung und behindert die Bereitschaft von Bürgern, sich aktiv um Integration zu bemühen. Und der EU bringt er sein Land durch solches Verhalten auch nicht näher.

(19.09.2011)

 

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