Hans-Heinrich Dieter

US-Truppenabzug?

 

Die „Washington Post“ berichtet über Prüfungen des Pentagon, die ca. 35.000 US-Soldaten aus Deutschland abzuziehen, um sie entweder in die USA zu verlegen oder zumindest in Teilen in Polen zu stationieren. Die Zielsetzung dieser „internen Studie“ ist noch undeutlich.

Es ist vorstellbar, dass der egozentrische Trump sich zeitgerecht vor dem NATO-Gipfel im Juli verhandlungstaktisch in Szene setzen will. Denkbar ist aber auch, dass Trump Deutschland, das nach seiner Denkart „der NATO und den USA riesige Summen an Verteidigungskosten“ schuldet, nicht auch noch durch die Stationierung von US-Truppen `belohnen` will. Das Pentagon dementiert bisher einen geplanten Abzug und lässt seinen Sprecher Pahon feststellen, die USA seien Deutschland und der NATO weiterhin verpflichtet.

Man darf von Trump nicht erwarten, dass er im Sinne der Wertegemeinschaft NATO die sicherheitspolitischen Interessen der westlichen Welt gemeinsam und solidarisch vertreten will. Und man darf auch nicht erwarten, dass Trump die geopolitische und strategische Rolle der Bundesrepublik Deutschland für die USA und die gesamte westliche Welt in der Zeit des Kalten Krieges bis in die heutige Zeit versteht. Und diese geopolitische und geographische Bedeutung Deutschlands für die USA heute wird auch dadurch dokumentiert, dass die militärischen Operationen und Aktivitäten der US-Streitkräfte in den Nahen und Mittleren Osten, nach Afrika und nach Osteuropa hinein ohne die Stationierung in deutschen Standorten nur sehr eingeschränkt möglich wären. Und Trump weiß nicht oder übersieht gerne, dass die Bundesrepublik zur Wahrung solcher „US-Eigeninteressen“ für ein Drittel der amerikanischen Stationierungskosten in Deutschland aufkommt – und was wären die USA ohne Ramstein Air-Base? Aber Trump hat durchaus intelligente militärische Berater, auf die er vielleicht hört. Einer Truppenabzugsdiskussion sollten wir daher gelassen entgegensehen.

Und Trump verschweigt auch bei seinen hinkenden Verteidigungsinvestitions-Vergleichen, dass die hohen US-Verteidigungskosten nicht vornehmlich für die vermeintliche „Verteidigung Deutschlands“ ausgegeben wurden und werden, sondern in erster Linie für den Erhalt des Status der USA als einzige militärische Superpower der Welt, zum Erhalt des Gleichgewichts der globalen nuklearen Einsatzmöglichkeiten zwischen den USA und Russland und zum erforderlichen Ausbalancieren der Machtinteressen der aufstrebenden Pazifik-Supermacht China. Die USA investieren aber auch deswegen große Geldmengen in ihre Streitkräfte, um als Supermacht interventionsfähig zu bleiben. Ãœber ihren Verteidigungshaushalt finanzierten die USA auch ihre völkerrechtswidrige Intervention in den Irak mit den bekannten desaströsen Folgen und noch heute anstehenden Folgekosten.

Richtig an Trumps ständigem Lamentieren im Zusammenhang mit dem Zwei-Prozent-Ziel der NATO ist allerdings, dass Deutschland die 2014 gemeinsam vereinbarte allmähliche Erhöhung der Verteidigungsinvestitionen bis auf 2 Prozent des BIP bei weitem verfehlt und entsprechende Steigerungen nicht erkennbar sind. Vielmehr beweist die Entwicklung des unzureichenden deutschen Verteidigungshaushaltes im Zusammenhang mit der stark eingeschränkten Einsatzfähigkeit der Bundeswehr auch unseren NATO-Partnern ein unzureichendes sicherheitspolitisches Verantwortungsbewusstsein unserer amtierenden Politiker.

Und wenn man sich in diesen Zusammenhängen das unsolidarische und isolationistische Verhalten der USA im Allgemeinen sowie im Zuge des letzten NATO- und des G7-Gipfels vor Augen führt, dann muss man doch durchaus skeptisch sein, ob die USA ihren Verpflichtungen des NATO-Vertrages in Zukunft auch nachzukommen bereit sind. Die NATO wäre gut beraten, wenn sie sich darauf einstellt, zukünftig unabhängiger von einem möglicherweise nationalistischen Mitglied USA zu werden und trotzdem sicherheitspolitisch handlungsfähig zu bleiben. Das bedeutet aber, dass die europäischen NATO-Mitglieder mehr Verantwortung übernehmen und ihre Streitkräfte auch einsatzfähig halten. Angesichts der militärischen Fähigkeiten des inzwischen aggressiv agierenden „Gegners“ Russland bedarf das großer Anstrengungen – auch von Deutschland!

Das sollte Deutschland begreifen und endlich seiner sicherheitspolitischen Verantwortung gegenüber der deutschen Bevölkerung und in der NATO gerecht werden. Dazu muss die Bundeswehr unverzüglich wieder einsatzfähig gemacht werden – und das wird viel Geld kosten!

(30.06.2018)

 

 

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