Hans-Heinrich Dieter

US-Waffen nach Osteuropa   (16.06.2015)

 

Nach Informationen der "New York Times" arbeiten die USA an einem Plan, schwere Waffen für bis zu 5.000 amerikanische Soldaten in Osteuropa zu stationieren, dabei auch Kampfpanzer und Infanterie-Kampffahrzeuge. Nach jetzigen Kenntnissen soll die Ausrüstung in den drei Baltenstaaten Estland, Lettland und Litauen sowie in Polen, Rumänien, Bulgarien und möglicherweise Ungarn gelagert werden, um die eigene Reaktionsfähigkeit zu erhöhen und Russland vor einer möglichen Aggression abzuschrecken. Das wäre die erste ständige Auslagerung von schwerem US-Militärgerät in NATO-Staaten, die früher Teil des Warschauerpaktes waren.

Dieser Vorschlag soll beim Treffen der NATO-Verteidigungsminister am 24./25. Juni in Brüssel erörtert werden. Dabei werden sicher einige NATO-Mitglieder Sorgen über Putins mögliche Reaktionen äußern. Der zu erwartende Vorwurf Russlands, dass die USA und die NATO gegen die NATO-Russland-Akte von 1997 verstoßen, trifft allerdings nicht zu. Denn dort heißt es, dass das westliche Bündnis in der momentanen und vorhersehbaren Sicherheitslage keine substanziellen Truppenstationierungen in den Staaten mit Grenzen zu Russland vornimmt. Erstens ist die Stationierung von Waffen und Ausrüstung für 5.000 Soldaten gegenüber dem Militärpotential Russlands nicht substanziell, in Zeiten des früheren Kalten Krieges hatten die USA Waffen und Ausrüstung für ein ganzes US-Korps "prepositioned". Zweitens hat Russland selbst die Sicherheitslage durch die Annexion der Krim, die hybride Kriegführung in der Ukraine und die aggressive Politik gegenüber den Nachbarstaaten sowie die ständigen Drohgebährden mit massierten Bomberflügen an den Grenzen der NATO gegenüber 1997 gravierend verändert. Wenn die USA als einzige Supermacht und die NATO als westliches Verteidigungsbündnis einer solchen veränderten Sicherheitslage nicht Rechnung trügen, würden sie unglaubwürdig werden. Für Putin wäre das ein guter Grund, den aus seiner Sicht dekadenten Westen als eine Ansammlung von Feiglingen und schwachen Politikern zu schmähen.

Die Ankündigung der USA und die erste Bestätigung solcher Überlegungen aus Polen passen außerdem sehr gut zu der augenblicklichen Übungsserie der NATO im Baltikum, sowie in Polen und der Ostsee. Eine solche Vorausstationierung von Großgerät ergänzt darüber hinaus die Bildung der neuen NATO-Speerspitze als Teil der NATO-Response-Force. Und wenn im Falle einer Aggression Russlands gegen die baltischen Staaten, Polen oder auch Rumänien und Bulgarien NATO-Truppen, -Einrichtungen oder -Ausrüstung betroffen wären, dann wäre das ein zusätzliches Argument für militärisches Handeln der NATO nach Artikel 5 des Vertrages.

Die Polen, Balten und Südosteuropäer sind seit der Annexion der Krim und der Destabilisierung der Ukraine durch Russland im vergangenen Jahr sehr beunruhigt über die aggressive Politik Putins. Die Ausweitung der russischen Militärpräsenz in der Ostsee sowie die Provokationen im Luftraum an ihren Grenzen verstärken die Angstgefühle, hauptsächlich der Balten und Polen. Im April 2015 beantragten die Balten deswegen bei der NATO die dauerhafte Stationierung stärkerer NATO-Verbände zu ihrem Schutz. Wenn die NATO in Brüssel dem Vorschlag zustimmt, wäre das ein gutes Signal an unsere östlichen Verbündeten, dass die westliche Welt bereit ist, konsequent für ihre Werte und Partner einzustehen.

Putin versteht konsequentes Handeln und weiß, dass er einen neuerlichen kalten Krieg gegen die westliche Welt und vornehmlich die Supermacht USA nicht "gewinnen" kann. Der Neo-Imperialist und Stalinverehrer hat sich verkalkuliert und die Folgen seines aggressiven politischen und militärischen Handelns falsch eingeschätzt. Nun ist Russland ziemlich isoliert und findet mit seinem zunehmend nationalistischen Selbstverständnis zu einer realen und zukunftsorientierten Einschätzung der Lage zurück.

Die NATO hat die Aktivitäten des NATO-Russland-Rates nach der Annexion der Krim eingefroren. Beim NATO-Treffen im Juni könnte der Sachstand der NATO-Russland-Grundakte diskutiert werden. Die Akte von 1997 strebt ein gegenseitiges Vertrauensverhältnis an, um einen gemeinsamen Sicherheits- und Stabilitätsraum zu schaffen. Putin hat das Vertrauensverhältnis nachhaltig gestört und von einem "gemeinsamen Sicherheits- und Stabilitätsraum" kann keine Rede mehr sein, denn Putin destabilisiert ja derzeit Teile dieses Raumes nachhaltig. In der Akte hat man sich damals außerdem darauf geeinigt, auf die Androhung oder Anwendung von Gewalt gegeneinander zu verzichten sowie die Souveränität, territoriale Unversehrtheit und politische Unabhängigkeit anderer Staaten zu achten. Putin verstößt nicht nur gegen die Akte, er tritt sie mit Füßen - und isoliert Russland weiter. Eine offizielle Verurteilung der russischen Verstöße gegen die NATO-Russland-Grundakte würde Putin den Ernst der Lage noch etwas deutlicher machen.

Die geplante Stationierung von US-Waffen in Ost- und Südosteuropa ist ein richtiges Signal und setzt die konsequente Politik der NATO als Reaktion auf die derzeit aggressive und sicherheitsgefährdende Politik Russlands fort. Unser Selbstverständnis und unsere Selbstachtung lassen es nicht zu, Aggression unbeantwortet zu erdulden und zu erleiden!

(16.06.2015)

 

 

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