Hans-Heinrich Dieter

Sehr vage Hoffnung für Israel   (15.03.2013)

 

Bibi Netanjahu hat sehr lange gebraucht, bis er eine Mitte-Rechts-Regierung zustande gebracht hat. Das ist möglicherweise auch dadurch begründet, dass er seine eigentliche „Wahlniederlage“ nicht wirklich realisiert hat und glaubte, seine politischen Vorstellungen bei Koalitionsverhandlungen leichter durchsetzen zu können. Und er hat offenbar die ungleichen aber verbündeten Jair Lapid mit seiner eher liberalen Zukunftspartei sowie Naftali Bennett mit seiner rechten Siedlerpartei, Jüdisches Haus, unterschätzt.

Sieben Wochen nach der Wahl zur Knesset ist der Koalitionsvertrag nun unterschrieben und die neue israelische Regierung steht – bis auf weiteres. Da es in Israel immer abhängig von der Sicherheitslage um sehr konkrete Politik geht, muss man skeptisch beobachten, wie sich die politisch sehr heterogene Koalition in der tagtäglichen Praxis bewährt. Da halten sich Misstrauen und Hoffnung zunächst einmal die Waage.

Was berechtigt zu Hoffnungen auf eine möglichst friedliche Zukunft Israels? Hoffnung macht, dass die zukunftsorientierten Kräfte um Lapid mit 19 Mandaten ein starkes liberales Gewicht in die Knesset einbringen und auf Friedensverhandlungen bestehen, dass die Ex-Außenministerin und Befürworterin einer Zwei-Staaten-Lösung, Zipi Livni, Justizministerin und Beauftragte für Verhandlungen mit den Palästinensern wird, dass die Ultra-Orthodoxen nicht mehr in der Koalition vertreten sind und dass das neue Bündnis über eine rechnerisch stabile Mehrheit von 68 der 120 Sitze in der Knesset verfügt.

Skepsis ist angebracht, weil das rechtsnationale Bündnis Likud-Beitenu mit 31 Sitzen immer noch stärkste Kraft im israelischen Parlament ist, weil Bennett mit seiner Siedlerpartei nichts von Friedensgesprächen mit den Palästinensern hält, weil Livni mit ihrer kleinen „Hatnua“-Partei nur 6 Abgeordnete einbringt und von Hardlinern wie Netanjahu, Verteidigungsminister Jaalon und Wohnungsbauminister Bennett leicht auszubremsen ist, wenn sie als Beauftragte für Verhandlungen mit den Palästinensern akzeptable Rahmenbedingungen für Friedensverhandlungen schaffen will, und weil der Posten des Außenministers für den ultrarechten Avigdor Lieberman, der wegen Untreue-Vorwürfen vor Gericht und für eine Anti-Friedenspolitik steht, freigehalten wird.

Misstrauen ist aber hauptsächlich angebracht, weil Netanjahu Ministerpräsident bleibt. Netanjahu sagte zwar Mitte Februar bei einem gemeinsamen Auftritt mit Livni:"Das Land braucht eine breite und stabile Regierung, um den Friedensprozess voranzubringen". Eine „breite“ Regierung wurde zustande gebracht, ob sie sich unter der Führung eines Politikers wie Netanjahu als „stabil“ erweisen wird, bleibt abzuwarten. Wer aber glaubt ihm angesichts seiner jüngsten Politik, dass er tatsächlich den Friedensprozess voranbringen will? Und dafür hat ihn wohl auch die knappe Mehrheit der Israelis leider nicht gewählt.

Präsident Obama, der in der nächsten Woche seine erste Reise in den Nahen Osten unternimmt, wird in Israel einen alten/neuen Ministerpräsidenten Netanjahu treffen, der mehrfach versucht hat, den US-Präsidenten, mit republikanischen und jüdischen Lobby-Gruppen im Rücken, am Nasenring durch die Manege zu ziehen. Er wird einen Ministerpräsidenten treffen, den er nicht schätzt und der ziemlich offen Partei für Romney ergriffen hat. Netanjahu macht es dem US-Präsidenten schwerer, sich wieder stärker für den Nahost-Konflikt zu engagieren. Das ist nicht vorteilhaft für Israel. Die israelischen Wähler haben es auch diesmal leider nicht anders gewollt.

Durch die Politik von Netanjahu/Lieberman hat Israel in Europa und der Welt viele Freunde verloren. Lapid wird mit seiner Zukunftspartei sicher auf einen Friedensprozess und auf eine neue Politik dringen, die auch die zunehmende politische Isolation des Landes stoppt. Netanjahu wird darauf eingehen müssen, wenn er Neuwahlen vermeiden will. Bei Neuwahlen haben die Israelis möglicherweise bald die Chance, sich eindeutig für eine gemäßigte und friedensorientierte parlamentarische Mehrheit und Regierung zu entscheiden.

Israel ist ein schönes wie auch interessantes Land und sollte bessere Zukunftsaussichten haben.

(15.03.2013)

 

 

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