Hans-Heinrich Dieter

Verfall der Demokratie (05.06.2011)

 

Die Begriffe, die die derzeitige deutsche Politik im Zusammenhang mit dem überstürzten Atomausstieg charakterisieren, sind so drastisch wie bezeichnend: Hoppla-Hopp-Politik, handstreichartiger Atomausstieg, "abermalige Häutung, diesmal von der Klimakanzlerin zur Ausstiegskanzlerin", Panikpolitik, Atomputsch, "skandalöse" Verstöße gegen demokratische Grundregeln, mit "unbegreiflicher Schnodderigkeit" ... und "die Berliner Anti-AKW-Walze rollt unbeeindruckt weiter".

Die so beschriebene hektische, angstgetriebene radikale Kehrtwende in der Atompolitik wird damit begründet, dass die "Mehrheit des Volkes", ja Deutschland diesen schnellen Ausstieg will. Dabei gibt es keine seriösen und belastbaren demoskopischen Erhebungen, die belegen, dass eine Mehrheit der Bürger diesen politischen deutschen Alleingang in eine höchst ungewisse und unsichere ökonomische, ökologische und soziale Zukunft im Rahmen Europas tatsächlich will. Wir wissen lediglich, dass die als Atomkraftgegner lautstark demonstrierenden Angst- und Wutbürger sofort aussteigen wollen. Ein Votum der mündigen Bürger könnte ohnehin erst erfolgen, wenn die verantwortlichen Politiker plausibel erklären würden, welche Folgen dieser "Atomputsch" für die Bevölkerung hat und welche "moderateren" Alternativen es dazu gibt. Solche Erklärungen kann es aber noch nicht geben, weil die Koalition die Folgen ihrer Politik noch nicht glaubhaft hochgerechnet hat und daher auch nicht definieren kann. Der Bürger muss einmal mehr inzwischen sehr unglaubwürdig gewordenen Volksvertretern glauben und vertrauen.

Wie aber können die Bürger, die CDU, CSU und FDP gewählt und sich dann gefreut haben, dass Volksvertreter mit ihrer politischen Einstellung in dieser Legislaturperiode die vernünftige Politik machen, die sie versprochen haben, im Zusammenhang mit dem "handstreichartigen Atomausstieg" weiterhin Vertrauen setzen in inzwischen wendehalsige CDU-Politiker, in populistische und beliebige CSU-Politiker und in FDP-Politiker, die liberale Politik denkbar schlecht vermitteln? Die CDU/CSU- und die FDP-Wähler haben die Politiker der jetzigen Regierungskoalition dafür gewählt, dass Atomenergie als Brückentechnologie, den ökonomischen. ökologischen und sozialen Erfordernissen der Zukunft des Industriestandortes Deutschland entsprechend, so lange wie vernünftig Teil des Energie-Mixes bleibt, und dem entsprach die Verlängerung der AKW-Laufzeiten aus dem Herbst 2010. An den Grundlagen für diese damalige Entscheidung hat sich außer der nach Fukushima entfachten und auch geschürten Hysterie nichts geändert. CDU/CSU- und auch FDP-Wähler müssen sich durch diese Politik regelrecht betrogen fühlen.

Erfreulicherweise regt sich in den Reihen der CDU teilweise heftige Kritik am Politikstil der Kanzlerin und an den fragwürdigen und wenig demokratischen Verfahrensweisen der "Berliner Anti-AKW-Walze". Diese Kritik und die Verdrossenheit der Bürger werden sich verstärken, wenn die negativen Folgen dieser Politik Zug um Zug offenbar werden. Das Schlimme ist, dass solche politischen Entscheidungen, die gemäß Auffassung der Bundesnetzagentur „energiewirtschaftlich zweifelhaft, ökonomisch ineffizient und ökologisch schädlich“ sind, grundsätzlich wohl nicht mehr verändert und von der nächsten Rot/Grünen Regierung nur noch schlechter umgesetzt werden können.

Wirklich schlechte Aussichten für Deutschland.

Man kann das Problem schwerlich besser beschreiben als Thomas Schmid: http://www.welt.de/debatte/kommentare/article13403650/So-ruiniert-die-Regierung-die-deutsche-Demokratie.html

 

(05.06.2011)

 

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