Hans-Heinrich Dieter

Vertrauens- und Glaubwürdigkeitskrise   (08.10.2017)

 

Eine neue Studie der Otto-Brenner-Stiftung stellte die Frage, wie glaubwürdig Medien sind, und hat festgestellt, dass die Zahl von Menschen, die Medien stark misstrauen, wächst. Besonders groß sei deren Anteil aber unter AfD-Wählern. Dabei wird nicht thematisiert, dass man den öffentlich-rechtlichen Rundfunk- und Fernsehanstalten inzwischen „Hofberichterstattung“ gleich von mehreren Seiten vorwirft und sie mit Schimpfworten wie „Schweigekartell“ belegt. Das sind deutliche Anzeichen dafür, dass sich die Legitimationskrise der „Öffentlich-Rechtlichen“ ausweitet und die Schmähkritik nicht nur den „Dumpfbacken der AfD“ oder PEGIDA angelastet werden kann. Mathias Döpfner, der Vorstandsvorsitzende von Springer und Präsident des Bundesverbandes der Deutschen Zeitungsverleger (BDZV) zum Beispiel, hat im Zusammenhang mit der Ausbreitung des öffentlich-rechtlichen Rundfunks im Internet von „Staatsfernsehen und Staatspresse im Netz“ gesprochen. Die deutlich erkennbare Nähe zur Politik, die im Vorwahlkampf stark eingeschränkt objektive Berichterstattung, die ständige Tarnung herausgelockter Meinungen als Nachrichten, die Aneinanderreihung von Spekulationen und die gezielte politisch motivierte und unausgewogene Auswahl der Interviewpartner machen die Sender halt mehr und mehr angreifbar. Und wegen der wenig ausgeprägten Fähigkeit vieler Medienvertreter zur Selbstkritik freut man sich natürlich, wenn man die stark eingeschränkte Glaubwürdigkeit bei der „undemokratischen, populistischen und rechtradikalen AfD“ und ihren „misstrauischen, abgehängten“ Wählern aus „prekärem“ Milieu festmachen kann. Die Absicht erkennt man sehr wohl und das Vertrauen wird so weiter beeinträchtigt!

Der neuesten der unzähligen Studien der Bertelsmann-Stiftung zur Folge, haben die etablierten Parteien bei der Bundestagswahl nicht nur am rechten Rand Wähler verloren, sondern auch massiv in der bürgerlichen Mitte. Und die Wählerschaft sei „gespalten in Befürworter und Skeptiker der Modernisierung”. Dabei sollen rund zwei Drittel (65 Prozent) aller AfD-Wähler aus Milieus kommen, die eher modernisierungsskeptisch sind. Wähler aller anderen im neuen Bundestag vertretenen Parteien gehörten hingegen mehrheitlich einem Milieu der Modernisierungsbefürworter an. Dies gilt demnach für 52 Prozent der Unionswähler und für 56 Prozent der SPD-Wähler. Bei der FDP liegt der Anteil bei 59 Prozent, bei der Linken bei 62 Prozent und bei den Grünen sogar bei 72 Prozent. In der veröffentlichten Zusammenfassung der Studie wird allerdings nicht deutlich gemacht, was denn genau unter „Modernisierung“ zu verstehen ist. Unionswähler sind ganz offensichtlich am „Weiter so!“ interessiert und die von der Union geführte GroKo hat die Digitalisierung als das größte Modernisierungsprojekt verschlafen sowie Deutschland zu einem der digitalen Schlusslichter in Europa werden lassen. Frankreich will sich wirtschaftlich und strukturell moderner aufstellen, die SPD will aber die erfolgreiche Agenda-Politik zurückdrehen und Deutschland mit einer noch enger geknüpften sozialen Hängematte zurückentwickeln. Wo der Fortentwicklungsdrang der Linken zu erkennen sein soll, ist bei einer Partei schwer zu ergründen, die immer noch das Erbe der SED pflegt und unzählige ehemalige „Staatsgefängniswärter“ in ihren Reihen hat. Und die Grünen sind als schulmeisternde und bevormundende Öko-Spießer eher am Erhalt der Krötenwanderung interessiert als an der modernen Fortentwicklung Deutschlands. Was die FDP an Trendwenden umsetzen kann, bleibt abzuwarten. Der Kategorisierung in „Befürworter und Skeptiker der Modernisierung“, die nicht definiert ist, darf man also mit Fug und Recht skeptisch gegenüberstehen – wie vielen anderen Studien auch. Studien erbringen meist das gewünschte Ergebnis dessen, der die teure Studie bezahlt. Gute Beispiele sind Glyphosat-Studien. Monsanto und andere Hersteller des Ackergifts haben die wissenschaftlichen Belege für die Gesundheitsgefahren durch das Pestizid seit Jahren durch mehrere Studien vertuschen lassen. Das hat den BUND veranlasst, gemeinsam mit der Europäischen Bürgerinitiative dazu eine Studie unter dem Titel "Gekaufte Wissenschaft" vorzulegen. Zum Schluss glaubt jeder das, was er glauben möchte, weil es ihm nutzt. Da muss man dann die Frage stellen, wie glaubhaft und vertrauenswürdig sind Studien, und kommt zur Antwort: wenig glaubhaft und vertrauenswürdig sowie ihr Geld oft nicht wert!

Diese Vertrauens- und Glaubwürdigkeitskrise der Medien und der Auftrags-wissenschaften, geht einher mit einer allgemeinen und globalen krisenhaften Entwicklung. Die Vereinten Nationen sind seit Jahren durch die Selbstblockade ihres Sicherheitsrates nur eingeschränkt handlungsfähig und erweisen sich bisher als reformunfähig. Die Glaubwürdigkeit der westlichen Supermacht USA ist durch die Politik ihres narzisstischen und irrlichternden Präsidenten Trump stark beeinträchtigt. Darunter leidet auch die Vertrauenswürdigkeit der NATO. China entwickelt sich zu einer aggressiven Welthandelsmacht und löst die USA mit einer aggressiven Machtpolitik im südchinesischen Meer als Führungsmacht im pazifischen Raum ab. Südamerika mit dem ehemals stark aufstrebenden Schwellenstaat Brasilien ist allgemein durch Korruption und fehlgeschlagene sozialistische Planwirtschaft auf dem stark absteigenden Ast – hier fehlt das Vertrauen zu dringend benötigten Investitionen.  Die afrikanischen Staaten erweisen sich – auch aufgrund der weit verbreiteten Korruption sowie religiöser und ethnischer Bürgerkriege - als weitgehend unfähig, ihrer schnell wachsenden Bevölkerung aus eigener Kraft wirtschaftliche und soziale Rahmenbedingungen für einen hinreichenden Lebensstandard zu bieten. Der Nahe und Mittlere Osten sind politisch und religiös höchst instabil und von Friedensregelungen für Syrien, dem Jemen, sowie für Israel und Palästina weit entfernt. Die Wirtschafts-Flüchtlingsbewegungen in Richtung Europa werden in ihrer Intensität kaum nachlassen. Und der internationale Terrorismus verändert das Leben der westlichen Bevölkerungen tagtäglich durch Einschränkungen der Freiheit und der Lebensqualität.

Die Europäische Union befindet sich im Dauerkrisenmodus und ist aufgrund ihrer Struktur und der zunehmend mangelhaften Solidarität ihrer Mitglieder nur stark eingeschränkt handlungsfähig. Deswegen verringert sich auch das Vertrauen der in Teilen zunehmend nationalistisch eingestellten EU-Bürger in die Fähigkeit der EU-Institutionen, die verschiedenen Krisen erfolgreich zu bewältigen. Durch den bisherigen Verlauf der Brexit-Verhandlungen werden Glaubwürdigkeit und Vertrauen in die EU weiter geschwächt. Die Europäische Union müsste politisch teilweise die Rolle der zunehmend geschwächten und selbstisolierten USA übernehmen, dazu ist sie aber strukturell sowie außen- und sicherheitspolitisch und aufgrund ihrer eingeschränkten militärischen Fähigkeiten nicht in der Lage – und selbst die eigenen Mitglieder trauen ihr das auch nicht zu!

Und was leistet die führende europäische Mittel- und Wirtschaftsmacht Deutschland? Deutschland redet seit Beginn der letzten Legislaturperiode gerne davon, außen- und sicherheitspolitisch global sowie in Europa mehr Verantwortung zu übernehmen. Daraus ist wenig geworden, denn Deutschland kann das sicherheitspolitisch nicht und will es außenpolitisch nicht wirklich. Wir machen weiterhin gerne – ohne eigene Strategie, ohne eigenes Konzept und ohne eigenen Plan – bei anderen mit. Deutschland hat mit Frankreich die Initiative ergriffen und im Normandie-Format im Ukraine-Konflikt vermittelt, bisher ohne Erfolg. Deutschland hatte für ein Jahr den OSZE-Vorsitz, ohne greifbare Ergebnisse. Und Deutschland hat im September 2015 ohne Plan und Konzept, widerrechtlich und unter Bruch von EU-Vereinbarungen die Grenzen für unzählige Flüchtlinge geöffnet und die staatliche Kontrolle zum erheblichen Nachteil der deutschen Bevölkerung drastisch verloren. Die erforderliche staatliche Kontrolle über die damaligen Zuwanderer ist bis heute nicht hergestellt. Das hat zu einer tiefgreifenden politischen Glaubwürdigkeits- und Vertrauenskrise geführt. Das mangelnde Verständnis der verantwortlichen  Politiker für die berechtigten Sorgen der Bevölkerung und die permanente Schönfärberei der Lage durch Politik und Medien sowie deren moralisierende Einteilung der Bevölkerung in die guten, demokratischen „Multikulturellen“ und die schlechten, undemokratischen „Heimatbezogenen“ hat durchaus Wut auf „etablierte“ Parteien und Verdrossenheit mit arroganten, abgehobenen Politikern hervorgerufen. Und es ist sehr bezeichnend, dass die CDU sehr stark in der nicht-abgehängten und nicht-existenzverängstigten und sicher intelligenten sowie mündigen „bürgerlichen Mitte“ verloren hat. Aber es sind dabei keine „Mauern aus Entfremdung, Enttäuschung und Wut“ entstanden, durch die Argumente nicht mehr durchdrängen, wie Bundespräsident Steinmeier fälschlich glaubt. Es hat überhaupt keine wirkliche politische Diskussion und sachliche Auseinandersetzung stattgefunden, weil die Politiker der „demokratischen“ Parteien zu feige oder nicht in der Lage waren der AfD zu begegnen. Frau Dreier, SPD, hat eine öffentliche Diskussion abgelehnt, weil sie vermeintlich den Rechtsradikalen keine Bühne bieten wollte. Gabriel, SPD, hat sich mit einer Lederjacke verkleidet, um sich unerkannt ein Bild von den Undemokraten machen zu können, ohne in schwierige Diskussionen verwickelt zu werden - und so weiter. Und es hat den „etablierten“ Parteien sicher auch nicht geholfen, dass sie zu spät realisiert haben, dass sie mit tatkräftiger und loyaler Unterstützung von Medien viele ihrer ehemaligen Wähler als „abgehängte Rechtsradikale“ beschimpft oder sogar verleumdet haben. Die so entstandene, sehr massive Vertrauens- und Glaubwürdigkeitskrise der „etablierten“ Parteien ist daher selbstverschuldet und hat sicher vielfach weniger mit spontanem Protest aus dem Bauch heraus als mit reiflicher Ãœberlegung und einer nicht leichtfallenden Wahlentscheidung zu tun. Deswegen ist der Vertrauensverlust auch nachhaltig und die Volksparteien müssen umgehend und hart für ihre Glaubwürdigkeit arbeiten. Und das lässt sich nicht gut an.

Der Deutsche Bundestag, der ja in unserer Parlamentarischen Demokratie die Belange der Bürger stellvertretend und zum Wohle des Volkes wahrnehmen soll, hat es in der letzten Legislaturperiode nicht geschafft, das Wahlrecht so zu ändern, dass Ãœberhangmandate nicht zu einem starken Aufwuchs an Abgeordneten mit der folgenden „Kostenlawine“ führen. Der neue Bundestag hat 709 Abgeordnete, die den Steuerzahler allein im kommenden Jahr 75 Millionen Euro kosten. Das ist keine gute Grundlage für die Wiedergewinnung von Bürgervertrauen, zumal jeder weiß, dass noch mehr Abgeordnete die Qualität der Parlamentsarbeit nicht steigern. Die SPD hat sich schon am Wahlabend kategorisch einer möglicherweise erforderlichen Beteiligung an der Regierungsverantwortung entzogen. Hier wird deutlich, dass bei der SPD die reinen Parteiinteressen – Selbstfindung und Selbsterneuerung -  im Vordergrund stehen und nicht die Modernisierung Deutschlands. Das ist der Vertrauens-bildung abträglich!

Nach der letzten Bundestagswahl hat es 79 Tage gedauert, bis ein detaillierter Koalitionsvertrag für eine Große Koalition geschlossen war und eine Regierung gebildet werden konnte. Jetzt sind schon zwei Wochen vergangen und es finden die ersten „Aussöhnungsgespräche“ zwischen den „Schwesterparteien“ CDU und CSU statt. In diesen zwei Wochen wurden schon in unzähligen Talkshows, Interviews und Statements rote Linien oder auch schwarze Linien gezogen sowie hohe Hürden nicht verhandelbarer Aspekte errichtet, die durchaus berechtigte Zweifel am Zustandekommen einer Jamaika-Koalition auf Bundesebene aufkommen lassen. Und dann wird auch noch die Niedersachsenwahl abgewartet und, wenn es nach der CSU ginge, sogar noch deren Parteitag im November. Diese Hängepartie im Zusammenhang mit dem Anblick von Politikern, die im Spektrum eitler Gockel bis angeschlagener zittriger Alt-Politiker auftreten, schafft kein Wählervertrauen. Und auch die Glaubwürdigkeit, dass es den Politikern um das Wohl der Bürger und die gute Zukunft eines modernen Deutschlands geht, leidet weiter, denn die Große Koalition wurde krachend abgewählt und dann kann man entlassene SPD-(Oppositions-) Minister nicht über einen Zeitraum im Amt lassen, der sich gegebenenfalls bis in 2018 erstreckt.

Und was wird aus Deutschlands wiederholter Ankündigung, außen- und sicherheitspolitisch - global sowie in Europa - mehr Verantwortung übernehmen zu wollen? Die EU will sich weiterentwickeln, es liegen Vorschläge auf dem Tisch, Präsident Macron will die Zusammenarbeit mit Deutschland verstärken, um auch dadurch die EU voran zu bringen. Und Deutschland kann sich politisch nicht zukunftsorientiert einbringen, weil es sich von einer Regionalwahl und einer Regionalpartei vom zügigen Beginn intensiver Koalitionsverhandlungen abhalten lässt!

Die politische Glaubwürdigkeits- und Vertrauenskrise dauert an und wird sich verstärken, wenn die Parteien und gewählten Volksvertreter ihre Arbeit zum Wohle des deutschen Volkes nicht alsbald erfolgreich aufnehmen.

(08.10.2017)

 

 

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