Hans-Heinrich Dieter

Viel planlose Hilfe (12.01.2011)

 

Ein Jahr nach dem schlimmen Beben ist nicht alles schlecht in Haiti – es liegt aber sehr, sehr vieles im Argen.

Die Bilanz der Hilfseinsätze zum Wiederaufbau des Landes ist deprimierend. Die sozialen und wirtschaftlichen Probleme haben sich sogar weiter verschlechtert. Dabei wurden Millionen und Abermillionen nach Haiti gepumpt. Die Menschen leiden weiter – nicht nur unter der Cholera – und Haiti ist immer noch der ärmste Staat der westlichen Hemisphäre.

Solch nationales und internationales Versagen ist schwer verständlich. Denn an internationaler Spendenbereitschaft hat es nicht gefehlt. Aber der Weltgemeinschaft fehlen offensichtlich immer noch die Kraft und die Werkzeuge, um angemessen auf Katastrophen reagieren und effizient helfen zu können.

Nun ist Helfen in einem Staat ohne stabile Regierungsstruktur und ohne funktionierende Sicherheitsinstitutionen leichter gedacht als getan. Trotzdem muss es der Ehrgeiz der internationalen Staatengemeinschaft sein, wirksame Hilfe für die geplagte Bevölkerung zu leisten. Unkoordinierte Hilfe ist selten effektiv, verschlingt zudem Unsummen an Organisationsmitteln sowie Bürokratiegeldern und ist deswegen nie effizient. Und an der Koordination von Hilfeleistungen hapert es offenbar, wie in anderen Krisen- und Unglücksgebieten auch.

Geber- und Planungskonferenzen gibt es erkennbar genug, damit erreicht man aber keine koordinierte Hilfe. Hunderte von Hilfsorganisationen sind in Haiti tätig und unzählige Helfer versuchen mit großem Enthusiasmus, auf eigene Faust und eben auch eigenmächtig dort zu helfen, wo Not am Mann ist. Und deswegen ist die Bilanz des Wiederaufbaus in Haiti sehr ernüchternd und enttäuschend.

Die Süddeutsche schreibt am 12.01.2011: „Das Land braucht eine effektive Polizei und ansonsten vor allem Techniker, Ingenieure und Ausbilder statt Uniformierte aus UNO-Staaten von Nepal bis zur Elfenbeinküste. Vor allem muss die simple Helfer-Wahrheit gelten: Lehre die Leute das Fischen, statt ihnen Fische zu schenken.“

Da ist viel Wahres dran. In die falsche Richtung geht allerdings der Hinweis auf die vermeintliche Militarisierung der humanitären Hilfe. Aber eine effektive Polizei koordiniert noch keine Hilfe. Wie effektiv nützen die engagierten aber unzureichend koordinierten Anstrengungen der Techniker, Ingenieure und Ausbilder? Und die Organisationsleistung der UN in Haiti mag derzeit unzureichend sein, sie ist aber unverzichtbar.

Damit es besser wird in Haiti, müssen die UN ihre Organisationsleistungen mit geeignetem zivilem und militärischem Personal steigern, Hilfsmaßnahmen müssen endlich nach einem Plan stringent organisiert und koordiniert werden und wenn es nicht bald gelingt, die staatlichen Strukturen zu stabilisieren, die Korruption erfolgreich zu bekämpfen und eine legitimierte Regierung zu etablieren, dann sollte man die weitere internationale Hilfe und Unterstützung davon abhängig machen, dass Haiti so lange unter eine internationale Verwaltung gestellt wird, bis die humanitäre, soziale, wirtschaftliche Lage der Menschen auf Haiti so stabilisiert ist, dass man von menschenwürdigen Rahmenbedingungen sprechen kann. Dann sind auch die Voraussetzungen gegeben für einen politischen Neuanfang mit Aussicht auf Erfolg.

Die internationale Staatengemeinschaft sollte das mehr oder weniger „verlorene Jahr“ auf Haiti vorbehaltlos analysieren und einen Maßnahmenkatalog zur Koordination von Hilfsmaßnahmen in Krisengebieten erarbeiten und auf dieser Grundlage einen konkreten Plan für Haiti. Grundsätzlich sollte sich die Weltgemeinschaft darauf verständigen, dass die Staaten nach einem internationalen „Alarmkalender“ Militärorganisationsbausteine für humanitäre Hilfsmaßnahmen mit schneller Verfügbarkeit in einem hohen Einsatzbereitschaftstand halten. Solche Truppenteile müssen dann in der Zeit ihrer Verfügungsbereitschaft die Zusammenarbeit mit staatlichen Institutionen und zivilen Hilfsorganisationen intensiv üben, die effektive Kooperation von Hilfsmaßnahmen mit staatlichen Hilfsorganisationen vorbereiten und nichtstaatliche Organisationen für die Zusammenarbeit interessieren. Dazu gehört auch, dass die Akteure sich kennen und die gegenseitige Unterstützung mit kompatibler Ausrüstung, insbesondere mit Führungs- und Fernmeldesystemen und Verfahren abgesprochen ist.

Dabei geht es dann nicht um die Zivilisierung des Militärs oder die Militarisierung humanitärer Hilfe, sondern um organisierte schnelle und effektive Zusammenarbeit in Katastrophenfällen und koordinierte Hilfe zum Wohle hilfsbedürftiger Menschen.

(12.01.2011)

 

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