Hans-Heinrich Dieter

Von vielen guten Geistern verlassen (28.03.2012)

 

Kanzlerin Merkel hat 2008 bei ihrer Rede in der Knesset erklärt, die Sicherheit Israels sei deutsche Staatsräson und für die Bundesregierung "nicht verhandelbar". Das sind starke und auch verpflichtende Worte, an denen deutsche Politik sicher noch gemessen werden wird.

Der Besuch des israelischen Verteidigungsministers Barak in der letzten Woche in Berlin stand nun ganz im Zeichen des aktuellen Atomstreits mit dem Iran. Da ist es von großem Interesse, welche Rolle auf Deutschland im Falle eines Angriffs Israels auf den Iran zukommen kann. Das Spektrum reicht von militärischer Beteiligung, über diplomatische und symbolische Unterstützung, bis zur vom Grundgesetz eigentlich gebotenen Ablehnung eines solchen völkerrechtlichen Angriffskrieges und der Beteiligung daran. Vor diesem Hintergrund und angesichts der durch Ehud Barak bei seinem Besuch in Berlin wiederholt erklärten Absicht, das iranische Atomprogramm notfalls mit einem gezielten Militärschlag stoppen zu wollen, bevor Teheran seine Atomanlagen bombensicher in unterirdischen Bunkern unterbringt, ist es sehr verständlich, dass Verteidigungsminister de Maizière durch seine Gespräche mit Barak "eher sorgenvoller als zuversichtlicher" geworden ist.

Wie ist die Lage?Der Iran steht im Verdacht, mit Hilfe seines zivilen Atomprogramms den Bau von Nuklearwaffen anzustreben. Teheran weist diese Vorwürfe regelmäßig zurück, hat aber Maßnahmen der internationalen Staatengemeinschaft, die diese Vorwürfe hätten entkräften können, ebenso regelmäßig nicht zugelassen. Die Atommacht Israel fühlt sich in ihrer Existenz bedroht - ohne eine Bedrohung konkret belegen zu können - und unterstellt, dass der Iran innerhalb von sechs Monaten über waffenfähiges Uran verfügen könnte. Israel glaubt andererseits auch nicht an den Erfolg diplomatischer Bemühungen und an die Wirksamkeit von Sanktionen. Damit stellt sich Israel gegen die Erkenntnisse und Auffassungen der USA. Auch in diesem Zusammenhang sieht Israel - ziemlich isoliert - mit höchster Priorität seine angebliche existenzielle Gefährdung und ist aus politischen Gründen offenbar nicht bereit, die negativen Folgen und die unkalkulierbaren Risiken eines solchen Schlages für die gesamte Region und die Weltgemeinschaft zu berücksichtigen.

Feststellungen des US-Geheimdienstes zur Folge gibt es keinen Beweis dafür, dass der Iran am Bau einer Atombombe arbeitet und keinerlei Anzeichen dafür, dass Teheran innerhalb von sechs Monaten waffenfähiges Uran herstellen könnte. US-Geheimdienstler und auch hochrangige Militärs warnen eindringlich vor einem Militärschlag, weil sie genau wissen, dass ein solcher israelischer Angriff iranische Gegenmaßnahmen und Vergeltung vielfältiger Art nach sich zöge und die USA und Teile der westlichen Welt automatisch in einen solchen, den gesamten Nahen und Mittleren Osten gefährdenden, Krieg hineingezogen würden. Präsident Obama hat auch deswegen dem Drängen Netanjahus bei dessen Besuch in Washington am 5. März 2012 nicht nachgegeben.

Da stellt sich die Frage nach den wirklichen politischen und moralischen Verpflichtungen Deutschlands gegenüber Israel. Gilt das Kanzlerwort, dass die Sicherheit Israels für die Bundesregierung nicht verhandelbar sei, etwa bedingungslos? Das kann trotz aller historischer Schuld Deutschlands nicht sein.

Israel fühlt sich aufgrund seiner geographischen Lage und seiner Geschichte immer bedroht. Die Sicherheit Israels ist zur Zeit durch den Iran nicht konkret gefährdet. Es gibt auch keinen direkten regionalen Konflikt mit dem 2000 km entfernten Iran. Die zukünftige Sicherheit Israels ist allerdings auch abhängig von der Bereitschaft aller Beteiligten zu einer friedlichen Lösung des Nahost-Konfliktes. Dazu gehört die Bereitschaft Israels, über eine Zwei-Staaten-Lösung ernsthaft zu verhandeln sowie die Siedlungspolitik und -praxis so zu ändern, dass sie friedlichen Lösungen nicht diametral entgegenstehen. Den Zugewinn an Sicherheit durch eine friedliche Entwicklung vernachlässigt Israel zurzeit nicht nur, sondern die Regierung Netanjahu/Lieberman arbeitet konkret gegen das mögliche Zustandekommen einer Friedenslösung. Netanjahu/Lieberman gehen so weit, alle Arbeitsbeziehungen mit dem UN-Menschenrechtsrat auszusetzen, weilder UN-Menschenrechtsrat vergangene Woche mit einer Resolution erstmals eine unabhängige internationale Untersuchung zur israelischen Siedlungspolitik auf den Weg gebracht hat und eine Kommission entsenden wollte, die den Siedlungsbau in Israel und den Palästinensergebieten untersuchen sollte. Wer nichts zu verbergen hat, braucht eine Untersuchung nicht zu fürchten. Israel isoliert sich weiter, verliert Freunde und entfernt sich von möglichen Friedenslösungen, die zur Stabilisierung der Sicherheit Israels beitragen könnten.

Deswegen muss Deutschland als Freund und Partner Israels weiterhin deutlich machen, dass Art und Weise unserer Unterstützung und Solidarität auch abhängig sind von der Friedensbereitschaft Israels und dass wir uns nicht zur Geisel einseitiger und nicht abgestimmter israelischer Militäraktionen mit unkalkulierbaren Risiken und absehbar verheerenden Auswirkungen auf die gesamte Region, auf die Weltwirtschaft, wenn nicht gar auf den Weltfrieden, machen lassen werden.

Eine am Völkerrecht und an den Menschenrechten orientierten Gewährleistung der Sicherheit Israels hat unsere uneingeschränkte Unterstützung. Gegen die grundsätzliche Versicherung unserer Solidarität und die Lieferung eines weiteren U-Bootes zu günstigen Bedingungen spricht nichts.

(28.03.2012)

 

 

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