Hans-Heinrich Dieter

Wenig Hoffnung fĂŒr die EU   (14.11.2018)

 

Bundeskanzlerin Merkel hat gestern den Abgeordneten des EuropĂ€ischen Parlamentes ihre Vorstellungen fĂŒr die Zukunft der EuropĂ€ischen Union vorgetragen. Von der deutschen Kanzlerin, die ohne Konzeptionen und definierte Zielvorstellungen  auskommt und – manchmal ohne Kompass – politisch auf Sicht fĂ€hrt, ist da nicht viel zu erwarten, schon ĂŒberhaupt keine Visionen, die in den nĂ€chsten Jahrzehnten Aussicht auf Realisierung haben und Europa weiterbringen. Einige SĂ€tze, die das Kommentieren lohnen:

Frau Merkel meint: „Wir sollten an der Vision arbeiten, eines Tages auch eine echte europĂ€ische Armee zu schaffen.“ Das ist inzwischen eine abgegriffene, zuletzt von Macron vorgetragene Forderung, und die Kanzlerin wollte sicher auf Macron zugehen und davon ablenken, dass Deutschland bisher auf die visionĂ€re Sorbonne-Rede des französischen PrĂ€sidenten inhaltlich noch nicht reagiert hat.

Aus den nun mehrfach geĂ€ußerten Absichten zu einer intensiveren außen- und sicherheitspolitischen Zusammenarbeit ist bisher nicht viel Konkretes geworden. Denn diese sicher gut gemeinten ReformvorschlĂ€ge ĂŒbersehen, dass es wohl seit 1993 den Begriff einer Gemeinsamen Außen- und Sicherheitspolitik der EU (GASP) gibt, aber keine real definierte und angewandte gemeinsame diesbezĂŒgliche Politik der EU, und deswegen gibt es auch noch keine Grundlage fĂŒr eine gemeinsame Einsatzdoktrin. Es ist nicht bekannt, welche Mitglieder der vielfĂ€ltig zerstrittenen EU sich an einer Europaarmee beteiligen wĂŒrden, und außerdem sind Aufgabenabgrenzungen einer „europĂ€ischen Verteidigungsunion“ zur NATO, oder besser noch eine vertiefte Zusammenarbeit und Aufgabenteilung mit der NATO nicht geklĂ€rt. Im Laufe des nĂ€chsten Jahrzehnts wird die EU weder eine „handlungsfĂ€hige Eingreiftruppe“, noch eine „echte europĂ€ische Armee“, noch einen „gemeinsamen Verteidigungshaushalt“ und auch keine „gemeinsame Einsatzdoktrin“ haben. Solche AnkĂŒndigungen sind also höchst illusionĂ€r, insbesondere auch, weil Deutschland bisher nicht bereit ist, vereinbarungsgemĂ€ĂŸ und hinreichend in die VerteidigungsfĂ€higkeit zu investieren. Da ist es fĂŒr unsere Sicherheit in Europa daher noch in langer Perspektive sehr gut, dass es die NATO gibt, die durch reale und tatkrĂ€ftige Sicherheitspolitik ĂŒberzeugt.

Nach Merkels Meinung ist „Toleranz … die Seele Europas und damit ein unverzichtbarer Grundwert der EU.“ Und: „SolidaritĂ€t ist Teil der europĂ€ischen DNA“. Diese schönen und richtigen SĂ€tze sollen alle die EU-Mitglieder treffen, in denen demokratische Rechte, Meinungsfreiheit und die UnabhĂ€ngigkeit der Justiz derzeit eingeschrĂ€nkt werden. Die Kanzlerin sagt aber nicht, was in der heillos zerstrittenen Union geschehen muss, um die zunehmend eingeschrĂ€nkt demokratisch, nationalistisch und unsolidarisch agierenden Mitglieder in die Wertegemeinschaft der EU zurĂŒckzuholen. Und wenn das nicht gelingt, dann muss sich die EU neu erfinden und mit einem Kerneuropa der leistungsstarken und solidarischen Mitglieder eine tiefer integrierte EU weiterentwickeln und den unsolidarischen Staaten eine Vollmitgliedschaft zu den neuen Bedingungen oder eine privilegierte Partnerschaft anbieten. Das wĂ€re eine Aussage, die eine sehr kontroverse, aber wichtige und möglicherweise auch gewinnbringende Diskussion ausgelöst hĂ€tte und vielleicht einen Beitrag zur Zukunftssicherung der EU geleistet hĂ€tte. Vertane Chancen!

Und Merkel sagt Deutschland-kritisch: „Auch Deutschland hat sich nicht immer tadellos verhalten“ und meint damit das Versagen in der FlĂŒchtlingskrise 2015. Da gibt es Journalisten, die ziehen unterwĂŒrfig den Hut vor diesem ungewohnten aber doch nur vermeintlich selbstkritischen Ansatz der Kanzlerin. Wenn Selbstkritik, dann bitte ehrlich! Sie hĂ€tte sagen mĂŒssen: 2015 habe ich in der FlĂŒchtlingskrise die Lage unzureichend beurteilt und Maßnahmen ergriffen, die nicht nur die deutsche Bevölkerung sehr stark belasten, sondern auch zur Spaltung Europas beigetragen haben. Wir sollten gemeinsam versuchen, wieder Einigkeit in FlĂŒchtlings- und Asylfragen herzustellen! So viel Anstand darf erwartet werden, insbesondere wenn man sein gelegentlich selbstherrliches Handeln immer als alternativlos verkauft. Aber von einer Kanzlerin, die trotz grĂ¶ĂŸter erkennbarer und von ihr verursachter Probleme noch dreist erklĂ€rt, sie wisse nicht, was hĂ€tte anders gemacht werden sollen, wird der BĂŒrger da natĂŒrlich enttĂ€uscht!

So war der vorwiegend strukturkonservative Auftritt von Merkel vor dem europĂ€ischen Parlament ebenso wichtig wie die europaweite Proklamation einer „Republik Europa“ am 10. November 2018 durch den Schriftsteller Robert Menasse und andere KĂŒnstler sowie vermeintliche europabegeistere Intellektuelle. Beides bleibt ohne nachhaltige Wirkung!

Die positiv eingestellten EU-BĂŒrger wollen eine handlungsfĂ€hige Union, hauptsĂ€chlich auf den Problemfeldern Migration und FlĂŒchtlinge, TerrorbekĂ€mpfung, gemeinsame Verteidigungsanstrengungen mit der NATO sowie Klimawandel. Eine ĂŒberlebensfĂ€hige und handlungsstarke EU erfordert aber weniger Weiterentwicklungen auf der Basis der derzeitigen Struktur, sondern echte Struktur-Reformen und deswegen wollen die BĂŒrger ĂŒberzeugt werden, dass die EU ĂŒber die dringend notwendigen Reformen wirklich bereit und in der Lage ist, die Probleme anzupacken, nachhaltig zu lösen und das Leben der EU-BĂŒrger zu verbessern. Dazu hat Kanzlerin Merkel leider keinen Beitrag geleistet!

(14.11.2018)

 

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