Hans-Heinrich Dieter

Wenig konsequent   (01.07.2016)

 

Die deutsche Verteidigungsministerin hat die Soldaten der Bundeswehr in der Türkei besucht - das war gut für die Soldaten, aber politisch wenig erfolgreich.

Das NATO-Mitglied Türkei hatte dem Staatssekretär im BMVg und Abgeordneten des Deutschen Bundestages die Einreise in die Türkei verweigert, möglicherweise wegen der Armenienresolution. Das ist eine politische Erniedrigung des NATO-Partners Deutschland, der noch vor kurzer Zeit die Türkei mit hohem finanziellem Aufwand vor syrischen Raketen geschützt hat.

Bundeskanzlerin Merkel hat sowohl die skandalösen Verbalattacken des türkischen Präsidenten Erdogan gegen Deutschland, wie auch die Schmähungen und Drohungen gegen türkischstämmige Abgeordnete des Deutschen Bundestages, als auch den ungeheuerlichen Vorgang der Besuchsverweigerung deutscher Volksvertreter bei Soldaten der deutschen Parlamentsarmee im Einsatz - wohl aus Angst vor einer zu erwartenden hasserfüllten Replik und vor gewohnter politischer Erpressung Erdogans im Zusammenhang mit dem Flüchtlingsdeal - nicht zurückgewiesen. Das ist ein höchst unwürdiges Verhalten einer deutschen Regierungschefin.

Ministerin von der Leyen wollte da sicher etwas ausgleichend wirken und hat - wie gewohnt sehr öffentlichkeitswirksam - erklärt, dass sie die deutschen Soldaten in der Türkei besuchen und der Türkei deutlich machen wird, dass die Bundeswehr eine Parlamentsarmee ist. Um das deutlich zu machen, hat sie aber nicht wie üblich einen großen Tross von Abgeordneten mitgenommen. Das war nicht konsequent und so ein Rezept für einen politischen Fehlschlag.

Die Türkei hat, diplomatische Gepflogenheiten erneut außer Acht lassend, die Ministerin nahezu nicht wahrgenommen und deswegen konnte sie sich auch politisch nicht auswirken. Die Ministerin ist ihrer Fürsorgepflicht gerecht geworden, politisch war ihr Besuch aber eine türkisch orchestrierte Nullnummer.

Autokratische und chauvinistische Politiker wie Putin und Erdogan verstehen nur konsequente Politik, die sich auch negativ für ihr Land auswirkt. In einer Zeit, wo man sich in der Flüchtlingsfrage in die Abhängigkeit der Türkei begeben und sich der Erpressung durch Erdogan ausgesetzt hat, ist es nicht einfach für Deutschland, eine konsequente und werteorientierte Politik zu machen. Und wenn die EU ständig - trotz dokumentierter Rückentwicklung der Türkei im Hinblick auf die Beitrittskriterien - neue Kapitel in den Beitrittsverhandlungen eröffnet, dann ist vernünftige und konsequente Politik gegenüber der Türkei zusätzlich erschwert.

Trotzdem dürfen wir unsere Werte nicht verleugnen und unsere Selbstachtung nicht verlieren. Erdogan schürt Hass gegen Deutschland, also hassen 50 Prozent türkische AKP-Wähler in treuer Gefolgschaft ihres Führers Erdogan deutsche Bürger. In Deutschland müssen türkischstämmige Abgeordnete des Deutschen Bundestages vor dem Hass in Deutschland lebender, türkischer AKP-Anhänger polizeilich geschützt werden. Die Türkei ist aufgrund ihrer repressiven Politik gegenüber der kurdischen Bevölkerung und aufgrund ihrer verfehlten Komplizenschaft mit den Terroristen des Islamischen Staates derzeit kein sehr sicheres Land. Es ist also allerhöchste Zeit, deutsche Staatsbürger vor Hass und Terror in der Türkei zu schützen und konkrete Reisewarnungen auszusprechen. Deutsche Touristen können derzeit Urlaub in der Türkei nicht risikofrei genießen. Warum also in der unfreundlichen Türkei Euros verschwenden?

Wann bestellt Deutschland den türkischen Außenminister ein und erklärt dem NATO-Partner die Unzufriedenheit mit dem wenig partnerschaftlichen Verhalten der Türkei sowie mit dem skandalösen Verhalten Erdogans gegenüber türkischstämmigen Abgeordneten des Deutschen Bundestages?

Was auch geschieht oder wahrscheinlich nicht geschieht, Deutschland sollte keinen Euro in die Infrastruktur der türkischen Militärbasis Incirlik mehr investieren und ernsthafte Überlegungen anstellen, die Beteiligung Deutschlands am internationalen Kampf gegen den IS zukünftig von einem anderen Luftwaffenstützpunkt im Nahen Osten aus zu leisten.

Deutschland sollte sich außerdem in der EU dafür stark machen, dass aufgrund der im letzten Fortschrittsbericht festgestellten Rückentwicklung des EU-Beitrittskandidaten Türkei in mehreren Kapiteln, die bis 2020 geplanten Heranführungshilfen in Milliardenhöhe eingefroren werden.

Deutschland darf sich von Erdogan nicht erpressen und herabwürdigen lassen!

(01.07.2016)

 

 

nach oben

 

zurück zur Seite Klare Worte