Hans-Heinrich Dieter

Wertegemeinschaft - EU   (24.03.2016)

 

Die Europäische Union versteht sich als Wertegemeinschaft. Auch gegen unsere europäischen Werte richteten sich die Attentate der terroristischen wie auch islamistischen Verbrecher in Brüssel.

Heute treffen sich die Innen- und Justizminister der 28 Mitgliedstaaten zum x-ten Mal, um zu beraten, wie man die Innere Sicherheit gemeinsam verbessern kann. Ergebnis der bisherigen unzähligen Beratungen sind Abmachungen, Vereinbarungen und die Einrichtung gemeinsamer Institutionen. Das hat aber noch nicht zu gesteigerter Innerer Sicherheit geführt, denn die Bereitschaft zu solidarischer Zusammenarbeit ist unterschiedlich ausgeprägt, der Datenaustausch erfolgt nicht auf gleicher Basis, die Leistungsfähigkeit der nationalen Sicherheitskräfte und Geheimdienste ist sehr unterschiedlich und die Bereitstellung von zugesagtem Personal für gemeinsame Institutionen erfolgt nur schleppend - kurz, es fehlt in der EU und in den Mitgliedstaaten an der solidarischen Umsetzung der propagierten guten Absichten. Die vielen Worte und auch gemeinsamen Phrasen hören alle, allein es folgen keine gemeinsamen Taten, weil es in der EU an „Gemeinsamkeit“ und „Solidarität“ stark mangelt.

Die Europäische Union ist heute eine strukturschwache Gemeinschaft von 28 mehr oder weniger egoistischen Nationalstaaten und in einem bedauernswerten, ja geradezu mitleiderregenden Zustand, mit negativer Tendenz. Wenn die Staaten Europas sich in unserer globalisierten Welt auf der Grundlage unserer gemeinsamen Werte in Krisen stabilisierend und erfolgreich einbringen wollen, dann geht das mit Aussicht auf Erfolg aber nur gemeinsam. Solidarität zeigen einige der Mitgliedstaaten indes nur, wenn es den eigenen nationalen Interessen nützt. Die EU ist daher nur noch eine stark eingeschränkte Wertegemeinschaft, weil sich einige Mitgliedstaaten den gemeinsamen Werten nicht verpflichtet fühlen und die Union offenbar eher als eine Transfergemeinschaft verstehen. Das gilt auch für die grenzüberschreitende Gewährleistung von Innerer Sicherheit und verhindert gemeinsame europäische Lösungen bei der Bekämpfung des global agierenden Terrorismus und bei der auch dadurch ausgelösten Flüchtlingskrise.

Dabei war die Notwendigkeit einer gemeinsamen europäischen Politik, einer europäischen Außen- und Sicherheitspolitik, einer gemeinsamen Finanzpolitik sowie einer gemeinsamen Asyl-, Flüchtlings- und Migrationspolitik noch nie so groß wie heute. Da macht auch der Vorsitzende des Auswärtigen Ausschusses des Deutschen Bundestages Röttgen, (CDU) wenig Hoffnung. Er sagt in einem Interview mit dem Generalanzeiger, Bonn: „Insgesamt gibt es zu wenig Gemeinsamkeit. Zuallererst zu wenig politische Gemeinsamkeit.“ Und als Beispiel wählt er das Chaos im Nahen Osten: „Wir müssen überhaupt damit anfangen, eine europäische Nahostpolitik zu bilden. Die gibt es noch nicht. Es gibt nicht das eine Konzept, die eine Strategie, den einen Auftritt.“ Und allgemein bewertet er die derzeitige Handlungsunfähigkeit der EU: „Es ist zum ersten Mal eine fundamentale, eine lebensbedrohliche Krise der Solidarität, und zum ersten Mal kann Europa scheitern.“ Das ist starker Tobak!

Unter einem Scheitern der EU würden alle Mitgliedstaaten leiden. Ein „weiter so!“ der EU als Gemeinschaft dieser 28 Mitgliedstaaten, die hauptsächlich ihre Eigeninteressen verfolgen, verhindert aber die erforderlichen gemeinsamen Problemlösungen und macht deswegen ein Scheitern wahrscheinlich. Da die gemeinsamen Probleme nur mit einer stärker integrierten Europäischen Union, die strukturell zu wirklich gemeinsamer Politik befähigt ist und deren Mitglieder sich solidarisch den gemeinsamen Werten und Regeln verpflichtet fühlen, zu lösen sind, muss die EU als wirkliche Wertegemeinschaft neu organisiert werden. Die EU und die Mitglieder, die eine vertiefte Integration wollen, sollten die derzeitige Krise als Chance begreifen, um die Integration der Europäischen Union tatkräftig voranzubringen.

Ohne vertiefte Integration wird die EU langfristig an ihrer strukturell bedingten Unfähigkeit scheitern. Deswegen muss die EU ihre Handlungsunfähigkeit überwinden und von Grund auf als Solidar- und Wertegemeinschaft gleichgesinnter Staaten reformiert werden. Das kann zu einem tiefer integrierten Kerneuropa führen, dem nicht integrierte ehemalige Mitgliedstaaten assoziiert sind. Deutschland könnte sich dabei als treibende Kraft einbringen. Das hieße aber konsequent auf Teile unserer staatlichen Souveränität und auf Alleingänge zum Beispiel bei der Israel betreffenden Nahostpolitik zu verzichten. Und Deutschland müsste sich tatsächlich entscheiden, was es politisch wirklich will, außer mitmachen und gemocht werden!

Eine schwache Europäische Union mehr oder weniger egoistischer Nationalstaaten brauchen wir zukünftig nicht. Wir brauchen in Zukunft eine handlungsfähige EU, die sich als Wirtschaftsmacht mit gemeinsamer Politik und einer kraftvollen Stimme in der globalen Welt erfolgreich einbringt und als Partner in der Weltpolitik wieder ernst genommen wird.

(24.03.2016)

 

 

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